Von der Wichtigkeit der Marke

Ich habe mein Berufsleben bei einem Unternehmen gestartet, das faszinierend war. Innovativ, ganz vorne im IT Bereich:
Das erste Unternehmen das Netzwerkrechner herstellte, das schon 1980 (!!!) ein weltweites E-Mail System hatte. Mitte der 80er Jahre waren mehr als 120.000 Mitarbeiter nicht nur technisch, sondern auch entscheidungsmäßig in diesem System eingebunden. All das machte uns stolz. Noch heute verfalle ich darin, von „wir“ zu sprechen, wenn ich von der Zeit bei diesem Unternehmen rede. Wir hatten zukunftsweisende Technik und Personalprogramme. Wir waren schnell wachsend und profitabel, wir waren die Nr. 2 weltweit hinter IBM. Aber wer wusste das schon? Digital Equipment Corportion, kurz DEC, hieß dieses globale Schwergewicht. Ein wegweisender Name. Und dennoch: Kennen Sie es? Wohl kaum.

Denn es gab eine große Schwäche: man hatte so gar nichts für Marketing und nicht viel für die Vertriebsmitarbeiter übrig. Man war doch technisch führend, innovativ, wozu brauchte man Marketing? Das wurde allen Beratern beschieden, die empfahlen Marketing zu stärken und eine starke Marke aufzubauen.
Dabei gab es starken Wettbewerb. Hinter IBM (und in Deutschland auch noch hinter Siemens) hatten es die DEC-Vertriebsleute schwer. Man kennt ja den noch heute geflügelten Spruch, dass noch nie jemand dafür gefeuert wurde, dass er sich für IBM entschied. Aber das führte bei DEC dennoch nicht dazu, an Marketing oder Markenbildung zu denken. Arrogant sagte man sich in der GL und im Vertrieb, der eigentlich aus technischen Beratern bestand „diese sicherheitsbewussten, ängstlichen Entscheider haben unsere innovativen und weitaus überlegenen Produkte gar nicht verdient“. Und man redete sowieso nur mit den technisch versierten Spezialisten und selbst denen begegnete man mit der Haltung „Vogel, friss oder stirb“.

Und dann, dann gab es da plötzlich Anfang 1980 den PC. Klar auch DEC hatte einen in der Schublade, aber die Führung war davon nicht überzeugt. Ken Olsen, der Gründer meinte: Was sollen denn Laien mit einem solchen Gerät? Das kann ja maximal eine bessere Schreibmaschine sein. Dann drängten weitere Hersteller mittelgroßer Rechner auf den Markt, die schneller mit ihrer Entwicklung waren. Die nächste Generation der eigenen Rechner verzögerte sich und plötzlich war man überholt.
Das war der Anfang vom Ende. Halbherzige Versuche mit Service oder mit Software das Überleben zu sichern halfen nicht. 5 Jahre später war das Unternehmen verkauft, zuerst an Compaq, die gibt es auch nicht mehr und dann an HP. Und damit verschwand es.

Es gab einfach kein Markenguthaben, keine Bekanntheit, kein Vertrauen in die Marke. Keine überzeugten Vollblutverkäufer, die wussten was Kunden brauchen und die halfen, die schwierigen Zeiten zu überbrücken. Auch IBM hatte es schwer mit den neuen Entwicklungen, aber das IBM-Markenguthaben hielt solange, bis man sich neu als Dienstleister erfinden konnte. Und HP hatte sich schon immer viel stärker an den Bedürfnissen der Zielgruppen ausgerichtet als „mein“ Unternehmen und damit eine der Grundvoraussetzungen für gutes Marketing erfüllt.

Was lernen wir daraus?

Nicht erst heute gilt: Innovationsorientierung und technischer Fortschritt ist gut und oft überlebensnotwendig, aber das allein reicht nicht aus:
Innovation muss sich an den Bedürfnissen der Kunden ausrichten, es kommt darauf an nützliche und wegweisende Produkte & Lösungen zu finden.
Zusätzlich braucht man Marketingmaßnahmen für eine starke Marke, die Vertrauen schafft.
Und man muss die Marke schnell aufbauen. In unserer heutigen schnelllebigen Zeit sind Wettbewerber, Kopierer und Neuerfinder in kürzerster Zeit auf dem Markt. Der technische Vorsprung schrumpft zusammen und die Verfallszeit von Neuerungen, Produkten und Unternehmen wird immer kürzer.

Ingrid Wächter-Lauppe
Geschäftsführende Gesellschafterin der Wächter Worldwide Partners
i.waechterlauppe@waechter.team

Mehr zum Thema